Johannes Kepler: Die Zahlen des Frontispiz der Rudolfinischen Tafeln

Der Zahlenkranz der Arithmetica

Die Tischzahlen

Die Werketafel

MYSTERIUM INCARNATIONIS

I. Prämissen

II. Heilsgeschichtliche Rolle der lateinischen Sprache

III. MYSTERIUM

IV. MYSTER

V. MYSTERIUM und ARITHMETICA

I. Prämissen

1.      Die Ergebnisse der vorhergehenden Untersuchungen (s.o.) bilden die Grundlage für die folgenden Ausführungen. Einige dieser Ergebnisse sind:

     Kepler hat umfangreiche Einsichten in die Zahlenwerte (ZW) lateinischer Wörter.

     Er kennt die Bedeutung der Faktorenwerte (FW) und berechnet die 4Werte von Wörtern.

     Er versteht das Dezimalsystem als göttliche Ordnung und Widerspiegelung des einen Gottes in drei Personen. Es hat in den 10 Punkten der Tetraktys eine geometrische Grundlage. Dem Tetraktysrahmen kommt eine besondere Bedeutung zu, in Analogie zu den 3 Achsen des Hexagon.

     Die Initialen IC (Iesus Christus) mit den ZW 9+3 entsprechen Bedingungen des Tetraktysrahmens. In zusammengesetzter Form ist 93 der ZW der ersten Abkürzung MYSTER auf der Werketafel des Frontispizes. Als Schöpfungsbeginn hatte Kepler das Jahr 3993 errechnet.

     Die trinitarische Bedeutung der Zahl 13 ist in den 5+8 Buchstaben von Jesus Christus sinnfällig.

     Kepler kennt das SATOR-QUADRAT und seine Bedeutung.

2.      Der menschliche Geist ist fähig und dazu berufen, Vollkommenes zu erkennen und selbst zu gestalten.

3.      Wissenschaft ist Erkenntnis göttlicher Ordnung. Gott ist die Quelle aller wissenschaftlicher Erkenntnis.

II. Heilsgeschichtliche Rolle der lateinischen Sprache

1.      Während des gesamten Mittelalters und bis zum Ende des 17. Jahrhunderts war Latein die europaweit die alleinige Wissenschaftssprache an den Universitäten. Darin eine göttliche Bestimmung der lateinischen Sprache zu erblicken, dürfte keinem denkenden Geist schwergefallen sein: In Alphabet und Sprache der Römer hatte die Schöpfungsordnung ihre gültige Entsprechung gefunden.Die Neuentdeckung und Wertschätzung des antiken Schrifttums, besonders der Werke Ciceros, war geeignet, diese Auffassung wesentlich zu unterstützen. Ein idealistischer Geist konnte in römischer Kultur und Geschichte alle Tugenden privater und gemeinschaftsbezogener Lebensführung erkennen.

2.      Zu Keplers Zeit besaßen die Schriften des Neuen Testaments oberste Autorität, zumal in der lutherischen Kirche, der Kepler angehörte. Luthers Rechtfertigungslehre wies den Briefen des Apostels Paulus besondere Bedeutung zu. In ihnen sowie im Prolog des Johannesevangeliums und, beiden folgend, im Glaubensbekenntnis war die überragende kosmische Rolle der zweiten göttlichen Person, die in Jesus Christus Mensch wurde, fest verankert:

"In ihm (Christus) wurde alles erschaffen, im Himmel und auf Erden. ... Alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen. In ihm hat alles Bestand." (Kol 1,16f).

In Jesus Christus wurde die Schöpfungsordnung Person.

3.      Alle diese Umstände ließen nur den einen Schluß zu, daß das einzige gemäße Medium aller Wahrheitsvermittlung die lateinische Sprache war. Von dieser Überzeugung indes bis zur Auffassung, daß zwischen lateinischer Sprache und dem Zahlensystem ein unlöslicher Zusammenhang besteht, ist es noch ein beträchtlicher Schritt. Ist jedoch die Entdeckung einmal gemacht, enthüllt die lateinische Sprache die Geheimnisse der Schöpfungsordnung wie ein offenes Buch. Die Zahlenwerte der Buchstaben und Wörter unterliegen keiner subjektiven Interpretation, sie sind nicht zufällig, sondern haben objektive Gestalt und Bedeutung.

Wie kann man und wie konnten Kepler und andere zu einer solchen Auffassung gelangen? Im Grunde genommen, durch einfache Überlegung: Es gibt nichts Gutes und Vollkommenes, das nicht durch Gottes Wirken seine Entstehung verdankt. Der Mensch als Ebenbild Gottes ist zur Vollkommenheit berufen. Indem der Mensch seinen freien Willen auf die Erkenntnis des Guten und seiner Verwirklichung richtet, bringt Gott in ihm das Wahre und Gute hervor, ohne daß der Mensch alle Implikationen des Hervorgebrachten zu verstehen braucht oder kann, da vieles einem langen Entwicklungsgang unterliegt. Dies gilt besonders für die Entwicklung von Sprache und Schrift.

III. MYSTERIUM

1.      Wenn sich Kepler also dem Wort MYSTERIUM zuwandte, konnte er – nach dem eben Gesagten – sicher sein, daß er auf objektive Informationen stieß. Heute haften diesem Begriff meistens irrationale Vorstellungen an. Auf Gott bezogen, bedeutet er jedoch eine Rationalität, an der der Mensch durch seine Erkenntnisfähigkeit zwar teilhat, die aber menschliches Verstehen unendlich weit übersteigt.

2.      Das höchste Geheimnis ist der eine Gott in drei Personen, das zweite die Menschwerdung der zweiten göttlichen Person in Jesus Christus.

Entsprechend einer solchen zweifachen Sicht ist sowohl das gesamte Wort MYSTERIUM als auch die Abkürzung MYSTER zu untersuchen, die Kepler an die Spitze seiner Werketafel setzte.

3.      Zur Ermittlung der Zahlensumme (ZS) und Faktorensumme (FS) bietet sich eine Dreiteilung der 9 Buchstaben an:

 

MYS

TER

IUM

sm

FW

GS

ZS

52

41

41

134

69

 

FS

28

41

22

91

20

 

sm

80

82

63

225

89

314

Auffällig ist, daß die ZS 134 in der Summe der 4Werte die Umkehrform 314 annimmt. Der FW der ZS 134 ist 69, der ZW des Wortes SATORSchöpfer. Die ersten 5 Ziffern des log 2 im Zahlenkranz der ARITHMETICA sind 69|314. Der Begriff MYSTERIUM beinhaltet also als Geheimnis aller Geheimnisse den einen Gott in drei Personen (in der Gleichung 1+3=4, 3+1=4), der in den ersten 3 Zahlen der Kreiszahl π in vollkommenster Weise versinnbildlicht wird.

Die Dreiteilung der 9 Buchstaben zeigt dreimal die Zahl 41 und in der Multiplikation die ersten drei Zahlen 123. Diese sind in anderer Anordnung auch in den Tischzahlen enthalten. Der Wortbestandteil TER bedeutet dreimal und kommt in den drei Verwandtschaftsbezeichnungen PA|TER MA|TER FRA|TER vor.

IV. MYSTER

1.      Kepler verwendet als Abkürzung den Wortstamm von MYSTER|IUM , also zwei Drittel der 9 Buchstaben, angemessen für die zweite göttliche Person:

 

MYS

TER

sm

FW

GS

ZS

52

41

93

34

 

FS

28

41

69

26

 

sm

80

82

162

60

222

2.      Die Summen 80 und 82 finden sich in der Anordnung der Tischzahlen; hinzu kommt die Rückwärtslesung 28, die FS von MYS:

8

2

 

0

1

3

 

8

 

Die ZS und FS 52+28 von MYS sind deckungsgleich mit denen von IESU, der Genitiv- und Vokativform von IESUS. Wir sehen hier einen Beweis für Keplers Einbeziehung der Faktorenwerte.

Können wir annehmen, daß Kepler die Zweiteilung der 6 Buchstaben wirklich vorgenommen hat? Die Teilung könnte Jesu menschliche und göttliche Natur bedeuten. Seine menschliche Natur hat er durch die Jungfrau Maria (ex Maria virgine) angenommen. Die Buchstaben MYS könnten als Initialen aufgefaßt sein für MARIAE (H)YIOS SOTERMariens Sohn, Erlöser, wobei die letzten beiden Wörter griechisch sind. Die Übereckstellung der beiden Tischzahlen zeigt die Durchdringung beider Naturen in der Person Jesu.

Die Anrufung IESU ist somit ein Glaubensakt, der auch eine Ehrung von Jesu Mutter beinhaltet.

3.      Die menschliche und göttliche Natur Jesu Christi zeigt sich auch in der Aufteilung der Abkürzung in 2:4 Buchstaben:

 

MY

STER

ZS

34

59

FS

20

49

sm

54

108

Entsprechend der Buchstabenzahl ist die zweite Summe 108 doppelt so groß wie die erste. Das Summenverhältnis ist demnach 54*(1:2). Es ist daran zu erinnern, daß die Summen des Zahlenkranzes der ARITHMETICA und der Tischzahlen 32+22 = 54 betragen. Zu denken ist besonders an das Produkt 6*9, das sich auf 6 Radiallinien und 9 Punkte des Hexagons beziehen läßt, sowie auf die Rechnung 6*9+(6+9) der ZS STR und AO des Wortes SATOR. Außerdem ist die Zahl 6 der FW von 9, dem ZW für I.

Die Buchstaben MY sind wiederum als MARIAE (H)YIOS zu deuten, die ZS 34 entspricht den 4Werten der Initialen IC. Durch Umstellung der folgenden Buchstaben erhält man das Wort TRESdrei, Hinweis auf die drei göttlichen Personen. Dabei ist zu bedenken, daß jeder einzelnen göttlichen Person die gleichen trinitarischen Attribute zukommen.

Die Zahl 108 enthält im Produkt 12*9 die ZS+FS der Initialen IC.

4.      Seine menschliche Form und Gestalt hat Jesus von MARIA angenommen. Dies ist versinnbildlicht durch die Konsonanten MR des Namens MARIA an erster und letzter Stelle der Abkürzung MYSTER.

5.      Die Buchstaben MR sind die FS und ZS der Zahlen 9+8 (6+6), die als komplementär zu 1+2 auf der Grundzahlenskala 1-9 aufzufassen sind. Die ZW der beiden Buchstaben ist demnach 12+17 = 29. Bezieht man die Addition 1+2 auf die drei göttlichen Personen, so ist in den Buchstaben MR Maria vom dreieinen Gott ganz in Besitz genommen.

Ich möchte annehmen, daß Kepler die drei Doppelrauten (DR) im Tetraktysstern kannte und wußte, daß jeweils zwei zu einem Oktaeder zusammengefügt werden können, wenn sie ein Achsenkreuz bilden. Der Rahmen eines solchen Achsenkreuzes besteht aus 29 Elementen, wovon 17 dem hexagonalen und 12 dem Erweiterungsbereich angehören:

Wenn jede DR sich mit jeder verbindet, kommen drei DR-Kreuze und 3*29 = 87 Rahmenelement zustande. Dies scheint durch die letzte Abkürzung C|OP dargestellt zu sein: 3+(14+15) = 3+29 = 32. Die Zahl 32 erscheint als FW von 87. Die Buchstaben OP sind eine Abkürzung für OPERAWerke.

Daß Kepler drei Oktaeder im Sinn gehabt haben könnte, zeigt auch die Summe der 4Werte von MYSTER und COP:

 

COP

FW

GS

ZS

32

10

42

FS

20

9

29

sm

 

 

71

Die beiden Gesamtsummen sind 222+71 = 293. Die Primzahl 293 kann als 29*3 aufgefaßt werden, allerdings auch als 2*93. Kepler könnte auf die Zahl 29 auch deshalb besonderen Wert gelegt haben, weil die ZS von MYSTERIUM 134 mit dem dazugehörigen FW 69 zusammen 203 = 7*29 beträgt.

Kepler trägt also der Aussage der Geheimen Offenbarung Rechnung, das Jesus Christus das Alpha und das O(mega), der Erste und der Letzte ist (1,8; 22,13). Hier leistet auch die FS 69 von MYSTER ihren Beitrag. Denn 69 ist der ZW von SATOR.

Die trinitarische Dimension der beiden Abkürzungen zeigt sich in der ZS 93+32 = 125 = , dem Zahlenwert von SPIRITUS.

6.      Daß MARIA die Mutter Iesu Christi ist, zeigt sich in der Summe der 4Werte 93:

 

ZS

FS

FW

FW

 

MARIA

40

32

11

10

93

Auch die vollen Namen IESUS CHRISTUS führen zum Wert 93:

 

ZS

FS

FW

FW

 

FW

IESUS

70

36

14

10

130

 

CHRISTUS

112

76

15

23

226

 

 

182

112

29

33

356

93

Die Zahl 93 erscheint hier als FW aus den Faktoren 4*89 der 4Werte 356. Die Zahl 89 ergibt sich aus der konzentrisch angelegten Numerierungssumme von 8+9 Zahlen:

Die ZS+FS von IESUS MARIA ist 106+72 = 178 = 2*89.

V. MYSTERIUM und ARITHMETICA

1.      Die 4Werte von MYSTERIUM und ARITHMETICA sind durch 89 teilbar und stehen daher in Beziehung zu IESUS CHRISTUS:

 

ZS

FS

FW

FW

sm

ARITHMETICA

103

90

103

13

 

 

193

116

309

Die beiden Summen 314+309 ergeben 623 = 7*89. Die Summe 309 hat sich gegenüber der Ausgangssumme 103 verdreifacht und enthält die Initialen CI. Die zweite göttliche Person in Jesus Christus ist also auch das mathematische Gesetz.

2.      Es dürfte daher nicht verwundern, daß die Tischzahlen auch von den Werten der ARITHMETICA geprägt sind. Der Differenzbetrag zwischen der FS 90 und der ZS 103 beträgt 13. Gleichzeitig hat die FS 90 den FW 13, so daß die Summe beider wiederum 103 ist. Liest man die Tischzahlen von oben nach unten, beträgt die Summe der ersten und dritten Zeile 82+8 = 90. Die Addition von 90+013 führt zum Umkehrform 103:

8

2

 

0

1

3

 

8

 

Die Zahl 103 läßt sich als 10+3 verstehen und auf den Tetraktysstern beziehen, indem eine Tetraktys aus 10 Punkten besteht und 3 Restpunkte übrig bleiben. In den Ziffern 1 und 3 ist der dreieine Gott präsent.

 

Erstellt: Juni/Juli 2009

 

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