Johannes Kepler: Die Zahlen des Frontispiz der Rudolfinischen Tafeln

Der Zahlenkranz der Arithmetica

Die Werketafel

Die Tischzahlen

I.           Einleitung

II.         Die Zahl 013

III.      Kreisbogenhälften

IV.       Die Zahlen 3 und 8

V.          Die Zahlenanordnung

VI.       Die Umkehrwerte

VII.     Die zusammengesetzte Kreiszahl

VIII.  Die ZS+FS Logarithmuszahlen und Tischzahlen

I. Einleitung

1.      Wie ich im ersten Teil darlegte, ist meine Behandlung des Frontispizes der Rudolfinischen Tafeln von der Überzeugung geleitet, daß Kepler sein Werk dem Dreieinigen Gott widmete, dessen vielfältiges Abbild er im Kosmos vorfand.

2.      Auf dem erhöhten Sockel des zehneckigen Rundtempels zeigt eines der rechteckigen Felder den Autor Johannes Kepler an einem Tisch sitzend. Er schaut aus dem Bild auf den Betrachter hin, ernst und mit fragendem Blick. Ihm erhöht zur Seite hängt eine Tafel mit vier seiner Werke. Der Tisch wird zum großen Teil eingenommen durch ein Modell des Tempels, der auf dem Frontispiz abgebildet ist. Davor, in die Tafel hineinragend, steht ein Kerzenleuchter mit brennender Flamme.

Kepler hält die Arme parallel nach vorne ausgestreckt und stützt die Handgelenke auf dem Tischrand auf. Hände und Finger bilden eine leichte Wölbung. Während die Finger der linken Hand ganz auf der Tischplatte aufruhen, ragen drei Finger der rechten Hand etwas über den Tischrand. Von beiden Händen sind jeweils vier Finger sichtbar, die mittleren beiden Finger liegen aneinander an, die anderen beiden sind leicht abgespreizt. Die Fingerhaltung könnte daher als 121 gelesen werden.

Zwischen den beiden Händen befinden sich, auf der Tischdecke liegend, 6 Einzelzahlen in drei horizontalen Reihen. Von der Perspektive des Sitzenden sind sie von der Tischkante aus zur Tischmitte hin folgendermaßen angeordnet:

8

2

 

0

1

3

 

8

 

Der leicht gekrümmte Zeigefinger der rechten Hand scheint auf die Zahl 3 zu deuten. Meint er damit die drei göttlichen Personen?

3.      Kepler sieht den Betrachter an, als würden die Zahlen ihm selbst Schwierigkeiten bereiten. Er könnte durch seine Miene aber auch anzeigen, daß er sich eine Aufgabe gestellt hat und sie nun nach langem und intensivem Überlegen gelöst hat. Vielleicht möchte er, daß sich der Betrachter mit den Zahlen befaßt und sich bemüht, ihre Bedeutung zu ergründen.

II. Die Zahl 013

1.      Der naheliegende, da wissenschaftliche, Lösungsweg wäre, sich unter Keplers Berechnungen umzusehen und Anhaltspunkte für die Tischzahlen zu finden. Ich vermute jedoch, daß dieser Weg nie zum Ziel führen wird. Die Zahlen sind in einer so eigenartigen Weise angeordnet, daß man sich der Lösung mit beschreibender Logik nähern muß.

8

2

 

0

1

3

 

8

 

2.      Es ist davon auszugehen, daß die Zahlen von links nach rechts zu lesen sind. Was bedeutet aber die Null vor der 13? Es könnte sein, daß unter der linken Hand eine Zahl verborgen ist, aber was würde dies dem Betrachter nützen. Kepler hat doch sicher Interesse, daß die vorhandenen Zahlen zu einem sinnvollen Ergebnis geführt werden.

Einen ersten Anhaltspunkt gewinnen wir, wenn wir die horizontalen Zahlen addieren: 82+013+8 = 103. Das Ergebis rückt also die Null in die Zahlenmitte. Daraus läßt sich eine dreifache Intention ableiten:

Erstens, Zahlenumkehrungen spielen eine wichtige Rolle.

Zweitens, die Zahlen 1 und 3 sind nicht auf eine zusammengesetzte Zahl festgelegt, sondern sind als Einzelzahlen zu berücksichtigen.

Drittens, die Zahl 13 läßt sich aufteilen in 10+3.

3.      Da außer diesen Zahlen nur noch die Logarithmusziffern 69314.72 im Glorienschein der Arithmetica zu finden ist, könnte Kepler beide als zusammengehörig gestaltet haben. Die Tatsache, daß sich in den 7 Ziffern der Logarithmuszahl keine wiederholt, könnte ihn veranlaßt haben, die Lücke von 3 weiteren Zahlen, die hinter die Schultern der Arithmetica verborgen sein könnten, als 8 0 5 anzunehmen, so daß die 10 Ziffern des Dezimalsystems vollständig wären. Stellt man sich nun die 0 als die Mitte und Anfang des gesamten Zahlenrings vor, bekäme man als Ziffernfolge 058, deren Addition zusammen mit der 0 eben 013 ergibt. Da sich somit 314 und 013 gegenüberstehen, kann man beide zu einer Zahl verbinden und feststellen, daß in kreisförmigem Durchgang alle 6 Zahlen jeweils durch 3*7 teilbar sind. Die zweite Spalte enthält die Summe der Primzahlfakoten, die Faktorenwerte (FW):

 

FW

314013 = 3* 7* 19* 787

816

140133 = 3* 7* 6673

6683

401331 = 3* 7* 29* 659

698

13314 = 2* 3* 7* 317

329

133140 = 2* 2* 3* 5* 7* 317

336

331401 = 3* 7* 43* 367

420

1333332

9282

ZS: 1333332 = 2*2*3*3*7*11*13*37

78

FS: 9282 = 2* 3*7*13* 17

42

FS:ZS = 546*(17:407); 6*(7:13) = 120

120

4.      Ist man einmal auf den Zusammenhang der Tischzahlen mit der Logarithmuszahl der Arithmetica aufmerksam geworden, lassen sich weitere Sinnbezüge erkennen. Zunächst erhält man für das obere und untere Zahlengebilde 7+6 = 13 Ziffern und somit wiederum das trinitarische Leitthema.

Weiterhin lassen sich die drei Tischzahlen (TZ) den unter symmetrischen Gesichtpunkten unterteilten Zahlen der Logarithmusziffern (LZ) zuordnen:

LZ

69

314

72

455

35*13

TZ

13

82

8

103

 

 

82

396

80

558

18*31

162:396=18*(9:22)

Die Addition der Tischzahlensumme 103 führt zur Umkehrung des Faktors 13 zu Faktor 31.

III. Kreisbogenhälften

1.      Die zusammengesetzte Zahl 314013 beginnt und endet mit den Umkehrungen 31 und 13. Umkehrung bedeutet Rückkehr einer Kreisbewegung zu ihrem Ausgangspunkt. Eine Umkehrbewegung wird erkennbar, wenn wir den Kreisbogen durch zwei Punkte in zwei Hälften teilen:

Der Kreisbogen bestet nun aus 4 Definitionselementen. Ein halber Bogen wird entweder definiert durch die Bogenlinie allein oder zusammen mit zwei Punkten. Auf diese Weise lassen sich die Umkehrzahlen 13 und 31 bilden. Da andererseits jeder Kreisbogen 2 Begrenzungspunkte beanspruchen darf, ergibt sich der Doppelaspekt von (3+3)+4 = 10 Elementen.

2.      Dehnt man die beiden Kreisbogenhälften zu einer geraden Strecke aus, wird ein zusätzlicher Begrenzungspunkt benötigt:

Dies könnte der Sinn sein, daß die Quersumme der 7 Logarithmusziffern, die keinen vollen Kreis bilden, 32 beträgt und die der Tischzahlen 22.

3.      Da für die Tischzahlen keine augenfällige Kreiskonzeption zu erkennen ist, besteht ihre Funktion in Umkehrungen. Der Kreischarakter wird klar, wenn man die Punkte mit 1 und 2 numeriert:

Die Numerierung 121 des zur Strecke ausgedehnten Kreisbogens ist als dreistellige Zahl das Quadrat von 11. Die Summe der beiden Faktoren ist 22. Die Numerierungsfolge 1-2-1 könnte eine passende Erklärung für Keplers eigenartige Fingerhaltung von zwei zusammengelegten und zwei abgespreizten Fingern sein.

Die Addition der Numerierungszahlen ergibt für den Kreis 3, für die Strecke 4, zusammen 7. Numeriert man Punkte und Kreisbogenhälften von 1-4, beträgt die Doppelsumme 10+11 = 21. Dies könnte der Sinn sein, daß die zusammengesetzte Zahl 314013 in kreisförmigem Ablauf jeweils durch 21 teilbar ist.

Wenn man diese 6-stellige Zahl in drei 2-stellige Zahlen aufteilt und sie mit ihren Umkehrungen addiert, erhält man folgendes Ergebnis:

31

40

13

84

13

04

31

48

44

44

44

132

48:84 = 4*(12:21)

Die Zahlen 12 und 21 kann man sich als Punktenumerierung zweier Kreisbogenhälften vorstellen. Das Verhältnis der beiden Zahlen ist 3*(4:7).

IV. Die Zahlen 3 und 8

1.      Die Gleichung 3+1=4 aus den Ziffern der Logarithmuszahl wird durch 2+1=3 in den Tischzahlen ergänzt. Das zweimalige Vorkommen der Zahl 8 läßt vermuten, daß Kepler eine analoge Gleichung für alle fünf zählbare Ziffern bilden wollte:

(2+1)+8 = 3+8

2.      Von den verschiedenen Bedeutungen der Verbindung der beiden Zahlen 3 und 8 erscheint mir eine besonders bedeutsam: Wenn man die Zahl 10 als die zyklisch wiederkehrende Einheit des Dezimalsystems in zwei Einheiten von 5 aufteilt, bilden die Zahlen 3 und 8 jeweils den Mittelpunkt ihrer Einheit:

Die trinitarische Zahl 3 hat also ihr komplementäres Pendant in der Zahl 8. Die Faktoren 2*2*2 zeigen die Wesensgleichheit der drei göttlichen Personen.

V. Die Zahlenanordnung

1.      Die 6 Tischzahlen sind so angeordnet, daß sie in ein Quadrat aus 3x3 Feldern passen. Wenn man üblicherweise von oben nach unten liest, liegt der Beginn in der oberen linken Ecke.

8

2

 

0

1

3

 

8

 

Liest man die Zahlen vertikal von links nach rechts, erkennt man dasselbe Anordnungsprinzip wie in der horizontalen Leseweise: Die Zeilen 1-3 enthalten jeweils 2+3+1 Ziffern. Die Einzelziffern sind 3 und 8, die als komplementäre Mittelpunktszahlen ermittelt wurden. Die 3-stellige vertikale Zahl 218 gibt dieses Verhältnis ebenso wieder.

2.      Die Anordnung von 2-3-1 Ziffern entspricht einer Numerierungsweise des Kreisdurchmessers: Der Mittelpunkt erhält die Zahl 1, die Kreislinienpunkte 2, die verbindende Radiallinie die Zahl 3:

Von außen nach innen und innen nach außen haben die dreistelligen Zahlen 231 und 132 spiegelbildliche Umkehrgestalt und bilden das Verhältnis 11*(21:12) = 33*(7:4). Tatsächlich ergibt die erste Addition des Achsenkreuzes 013+218 die Zahl 231.

3.      Wie schon oben angedeutet, ist den Tischzahlen Umkehrfunktion zugedacht, was der Rückkehr des Halbkreisbogens zum Anfang entspricht.

Für die Umkehrfunktion stehen je zwei Zahlen der horizontalen und vertikalen Sichtweise zur Verfügung: 82, 013; 80, 218.

8

2

 

8

2

 

0

1

3

0

1

3

 

8

 

 

8

 

Die Quersumme der 4 Zahlen und 2*(2+3) Ziffern erhöht sich gegenüber den ursprünglich 3 Zahlen und 3+2+1 Ziffern von 22 auf 33.

VI. Die Umkehrwerte

1.      Während die Addition zweistelliger Umkehrzahlen stets durch 11 teilbar sind, ist dies bei dreistelligen Zahlen nur dann der Fall, wenn die Ausgangszahl durch 11 teilbar ist wie bei 132 und 231. Kepler wählte zwei Zahlen so aus, daß sie durch 11 teilbar sind, wenn man zur einen Zahl die andere in beiden Umkehrformen hinzuaddiert. Dies ist immer dann möglich, wenn die eine Zahl aus einer 0 und zwei Stellen besteht:

 

 

sm

*11

 

 

sm

*11

013

218

231

21

310

218

528

48

013

812

825

75

310

812

1122

102

 

 

 

96

 

 

 

150

96:150 = 6*(16:25)

Addiert man die näher beieinander liegenden Ergebnisse 528+825 = 1353, erhält man das Verhältnis 11*(48:75) = 11*123 = 33*(16:25). Die durch 11 teilbare Gesamtsumme besteht also aus den ersten 3 Zahlen, einer Umkehrung von 231 und 132. Die Verhältniszahlen sind die Quadrate von 4 und 5.

2.      Die zweistelligen Zahlen sollen nun mit den niedrigen Werten der niedrigen Summe und mit den höheren der höheren Summe hinzugefügt werden:

528

08

28

564

825

80

82

987

 

 

 

1551

564:987=47*(12:21)

Für Kepler ist die Primzahl deshalb so wichtig, weil das Verhältnis 12:21 eben 3*(4:7) ist und alle 36 Umkehrzahlen zusammen dasselbe Verhältnis haben: 1440:2520 = 360*(4:7).

3.      Offensichtlich hat Kepler auch die Faktorenwerte (FW) gezählt. Denn ihre Summe ist ebenfalls durch 11 teilbar.

Z

013

82

310

28

 

FW

13

43

38

11

105

Z

218

80

812

08

 

FW

111

13

40

6

170

105:170 = 5*(21:34)

275

Die ZS+FS beträgt nun 1551+275 = 11*(141+25) = 11*166 = 1826. Die Zahl 166 ist 2*83 und weist wiederum auf die beiden Zahlen 3 und 8 hin.

VII. Die zusammengesetzte Kreiszahl

1.      Die 2+3+1 Tischzahlen haben eine weitere erstaunliche Eigenschaft. Wenn man sie entsprechend ihrer horizontalen Reihenfolge zu 82|013|8 zusammensetzt, ist diese 6-stellige Zahl nach dem bereits beschriebenen Kreismuster vor- und rückwärts durch 11 teilbar. In zweistelliger Aufteilung 82+01+38 ergibt die Summe der drei Zahlen 121 = 11*11:

820138 = 2*11*11*3389

201388 = 2*2*11*23*199

13882 = 2*11*631

138820 = 2*2*5*11*631

388201 = 11*35291

882013 = 11*181*443

3413

237

644

651

35302

635

 

831028 = 2*2*11*11*17*101

310288 = 2*2*2*2*11*41*43

102883 = 11*47*199

28831 = 11*2621

288310 = 2*5*11*2621

883102 = 2*11*137*293

144

103

257

2632

2639

443

2.      Eine weitere Kreiszahl ist durch 7 teilbar. Es handelt sich um die Summe zweier Umkehrungen, der 6-stelligen Logarithmuszahl und der zusammengesetzten Tischzahl. Sie soll nur an einem Beispiel gezeigt werden:

741396+831028 = 1572424

1572424 = 2³*7*41*653

 

709

VIII. Die ZS+FS Logarithmuszahlen und Tischzahlen

1.      Die drei Zahlengruppen der Logarithmuszahl und ihre Umkehrungen haben folgende ZS+FS:

Z

69

314

72

455

FW

26

159

12

197

Z

96

413

27

536

FW

13

66

9

88

 

204

952

120

1276

1276 = 4*11*29

Die ZS+FS sowohl der Logarithmuszahlen (LZ) als auch der Tischzahlen (TZ) sind durch 11 teilbar. Die beiden Gesamtsummen betragen 1826+1276 = 3102, und haben das Verhältnis 11*(166:116) = 11*282 = 22*141 = 66*47. Das Gesamtergebnis 3102 besteht wiederum aus den Numerierungszahlen 1-3 des Kreisdurchmessers, der Faktor 47 spiegelt wiederum das Umkehrverhältnis der Zahlen 12:21 wider.

Die ZS+FS 1276 und die FS 275 der Tischzahlen sind zusammen gleich.

Die ZS 1551 der Tischzahlen wird durch die drei übrigen Summen verdoppelt:

 

LZ

TZ

 

ZS

991

1551

991

FW

285

275

560

 

 

 

1551

Die beiden ZS 991+1551 = 2542 bestehen aus den Faktoren 2*31*41 = FW 74.

 

Erstellt: Juni 2009

 

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