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C. Die Folgen

ð D. Einige relevante Zahlenwerte (I-III)

1.  Ein in unlauterer Gesinnung dargebrachtes Opfer ist eine Beleidigung der Götter und fällt belastend auf den Urheber zurück. Dido erfährt keine Gewissenserleichterung. Das Schweigen der Götter bestürzt sie. In ihrer Verlassenheit und Haltlosigkeit sucht sie umso mehr eine Liebesgemeinschaft mit Aeneas. Nun werden erstmals zur Bezeichnung ihrer Liebesleidenschaft die Begriffe FURERE (65, 69) und FUROR (91, 101) verwendet.

2.  Die Menschen erhalten das von ihren selbstgeschaffenen Göttern, was ihrer guten oder schlechten Gesinnung entspricht. Iuno tritt als dienstbarer Geist auf den Plan und führt Didos Liebesverlangen und Verführungswünsche zum Ziel.

3.  Für den vorchristlichen antiken Menschen stellt sich die grundsätzliche Frage, wie die Mächte der Unordnung, des Bösen und der Zerstörung zu sehen sind, wenn es einen allmächtigen guten Schöpfergott gibt, der alles vollkommen geordnet hat. Folgende Anschauungen könnten dieser Ungereimtheit Rechnung getragen haben:

Die Mächte der Unordnung sind Zulassung Gottes, haben aber keine Macht über ihn. Den Gottesfürchtigen führt er durch Irrwege und Gefahren hindurch zum glücklichen Ziel.

– Die Vielfalt der Götter spiegelt alles Unerklärliche und Irrationale wider, das in das Leben des Menschen hereinbrechen kann. So werden etwa plötzlich auftretende Liebesgefühle für eine Person des anderen Geschlechts der Venus und ihrem Sohn Amor zugeschrieben.

– Der Mensch kann dank sittlicher Erkenntnisfähigkeit und Wahlfreiheit Gefährdungen der seelischen Ordnung wirksam begegnen.

– Er kann seine Seele in Ordnung halten, indem er in lauterer Gesinnung die Verbindung zu Gott pflegt und von ihm her die Befähigung zum Guten und Vollkommenen erhält.

4.  Wer gegen die Erkenntnis des sittlich Richtigen handelt oder die Bedenken des Gewissens außer Acht läßt, lädt Schuld auf sich. Nachdem Dido in der Höhle in den Armen des Aeneas Schutz gesucht hat – so etwa kann man sich den Anfang des Geschehens vorstellen – erwacht in ihm das Liebesverlangen und beide geben sich der körperlichen Vereinigung hin.

5.  Dido ist nun am Ziel ihrer Wünsche. Um Aeneas an sich zu binden, schiebt sie ihm die ganze sittliche Verantwortung für ihre gegenseitige intime Beziehung zu und unterstellt ihm, er habe damit einer Ehe mit ihr zugestimmt. Ohne es sich eingestehen zu wollen, so sagt Vergil in Z.172, bemäntelt sie so ihre Schuld:

Coniugium vocat; hoc praetexit nomine culpam.

Sie nennt es Ehe; mit diesem Wort bemäntelte sie ihre Schuld.

Dido hat in diesem Stadium ihres Lebens die sittliche Urteilskraft verloren, die sie noch hatte, als sie zu Anna sagte (Z.19), daß einzig Aeneas sie veranlassen könnte, der Versuchung zu einer schuldhaften Handlung zu unterliegen.

Benutzte Literatur: Vergil, Aeneis. 3. und 4. Buch. Reclam 1997. Übersetzt von Edith und Gerhard Binder.

Arthur Stanley Pease: Publi Vergili Maronis Aeneidos Liber Quartus. WBG 1967

Erstellt: April 2003

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