Papst Benedikt XVI.
Generalaudienz am 15.6.11
Gebet im AT: Elija betet um Regen
Liebe Brüder und Schwestern!
Wir befinden uns im Nordreich,
im neunten Jahrhundert vor Christus, zur Zeit des Königs Ahab, einem Moment, in
dem es in Israel zu offenem Synkretismus kam. Neben dem Herrn betete das Volk
Baal an, das trostversprechende Götzenbild, von dem man glaubte, es bringe das
Geschenk des Regens, und dem daher die Macht zugesprochen wurde, die Felder
fruchtbar zu machen sowie Menschen und Tiere Leben zu schenken. Obgleich das
Volk behauptete, dem Herrn, dem unsichtbaren und geheimnisvollen Gott, zu
folgen, suchte es dennoch in einem verstehbaren und vorhersehbaren Gott
Sicherheit, von dem es dachte, Fruchtbarkeit und Wohlstand im Austausch gegen
Opfer zu erhalten. Israel gab allmählich der Verführung zum Götzendienst nach –
der ständigen Versuchung der Gläubigen –, indem es der falschen Hoffnung
anhing, "zwei Herren dienen" (Mt 6,24; Lk 16,13) zu können und die unbequemen
Wege des Glaubens an den Allmächtigen dadurch zu erleichtern, dass es sein
Vertrauen erneut auf einen machtlosen, von Menschen geschaffenen Gott setzte.
Gerade um das Trügerische und
die Dummheit dieser Haltung aufzudecken, lässt Elija das Volk Israel auf dem
Berg Karmel zusammenkommen und stellt es vor die Notwendigkeit, eine
Entscheidung zu treffen: "Wenn Jahwe der wahre Gott ist, dann folgt ihm! Wenn
aber Baal es ist, dann folgt diesem" (1 Kön 18,21). Und der Prophet, Bote der
Liebe Gottes, lässt sein Volk angesichts dieser Entscheidung nicht allein,
sondern hilft ihm, indem er es auf das Zeichen hinweist, das die Wahrheit
offenbaren wird: Sowohl er als auch die Propheten des Baal werden ein Opfer
vorbereiten und beten, und der wahre Gott wird sich zeigen, indem er durch das
Feuer antwortet, das das Opfer aufnehmen wird. So beginnt die Gegenüberstellung
zwischen dem Propheten Elija und den Anhängern des Baal, die in Wirklichkeit
zwischen dem Herrn Israels, dem Gott des Heils und des Lebens, und dem stummen
und unbeständigen Götzen stattfindet, der nichts bewirken kann, weder im Guten,
noch im Schlechten (vgl. Jer 10,5). Und so beginnt auch die Gegenüberstellung
zwischen zwei vollkommen unterschiedlichen Weisen, sich an Gott zu wenden und
zu beten.
Die Propheten des Baal nämlich
schreien, zappeln herum, tanzen hüpfend, geraten in einen Zustand starker
Erregung und schließlich "ritzten sie sich mit Schwertern und Lanzen wund, bis
das Blut an ihnen herabfloss" (1 Kön 18,28). Sie greifen auf sich selbst
zurück, um ihren Gott hinzuzuziehen, sie müssen auf ihre eigenen Fähigkeiten
vertrauen, um eine Antwort hervorzurufen. So offenbart sich das Trügerische
ihres Götzen: Er ist vom Menschen als etwas erdacht, über das man verfügen, das
man mit eigenen Kräften handhaben und zu dem man ausgehend von sich selbst und
der eigenen Lebenskraft Zugang finden kann. Statt das Herz des Menschen auf das
Andere hin zu öffnen, auf eine befreiende Beziehung, die es zulässt, den engen
Raum des eigenen Egoismus zu verlassen, um Zugang zu Dimensionen der Liebe und
des gegenseitigen Gebens zu finden, schließt die Anbetung des Götzen den
Menschen in den zur Verzweiflung führenden, geschlossenen Kreis der Suche nach
sich selbst ein. Und die Täuschung ist so groß, dass sich der Mensch, wenn er
den Götzen anbetet, zu extremen Handlungen gezwungen sieht, in dem
illusorischen Versuch, diesen seinem Willen zu unterwerfen. Daher tun sich die
Propheten des Baal schließlich selbst weh und fügen ihrem Körper Verletzungen
zu, in einer Geste, die auf dramatische Weise ironisch ist: Um eine Antwort,
ein Lebenszeichen von ihrem Gott zu erhalten, bedecken sie sich mit Blut und
somit symbolisch mit Tod.
Elija hingegen nimmt eine ganz
andere Gebetshaltung an. Er bittet das Volk, näherzukommen, und bindet es so in
sein Handeln und in seine Bitte ein. Das Ziel seiner Herausforderung an die
Propheten des Baal lag darin, das Volk, das sich verirrt hatte, indem es den
Götzen gefolgt war, zu Gott zurückzuführen; daher will er, dass Israel sich mit
ihm vereint und an seinem Gebet sowie an dem, was geschieht, teilhat und
mitwirkt. Dann errichtet der Prophet einen Altar, wozu er, wie es im Text
heißt, "zwölf Steine (nahm), nach der Zahl der Stämme der Söhne Jakobs, zu dem
der Herr gesagt hatte: Israel soll dein Name sein" (V. 31). Diese Steine
repräsentieren ganz Israel und sind die greifbare Erinnerung an die
Erwählungsgeschichte, an die besondere Liebe und die Rettung, deren Gegenstand
das Volk war. Die liturgische Handlung Elijas hat eine klare Bedeutung; der
Altar ist ein heiliger Ort, der die Gegenwart des Herrn anzeigt, doch jene
Steine, aus denen er zusammengesetzt ist, stellen das Volk dar, das jetzt durch
die Vermittlung des Propheten symbolisch vor Gott gestellt wird, das "Altar"
wird, Ort der Gabe und des Opfers.
Das Symbol muss jedoch
Wirklichkeit werden, Israel muss den wahren Gott anerkennen und zu seiner
Identität als Volk des Herrn zurückfinden. Daher bittet Elija Gott, sich zu
zeigen. Und jene zwölf Steine, die Israel an seine Wahrheit erinnern sollten,
dienen auch dazu, den Herrn an seine Treue zu erinnern, auf die sich der
Prophet in seinem Gebet beruft. Die Worte seines Gebets sind reich an Bedeutung
und an Glauben. "Herr, Gott Abrahams, Isaaks und Israels, heute soll man
erkennen, dass du Gott bist in Israel, dass ich dein Knecht bin und all das in
deinem Auftrag tue. Erhöre mich, Herr, erhöre mich! Dieses Volk soll erkennen,
dass du, Herr, der wahre Gott bist und dass du sein Herz zur Umkehr wendest"
(V. 36–37; vgl. Gen 32, 36–37). Elija richtet sich an den Herrn, indem er ihn
Gott der Väter nennt, und erinnert so auf implizite Weise an die göttlichen
Verheißungen und an die Geschichte der Erwählung und des Bundes, die den Herrn
unauflösbar mit seinem Volk verbunden hat. Die Verknüpfung Gottes mit der
Geschichte der Menschen ist so groß, dass Sein Name nunmehr untrennbar mit dem
der Patriarchen verbunden ist, und der Prophet spricht jenen heiligen Namen
aus, damit Gott sich erinnert und sich als treu erweist, doch auch, damit
Israel sich bei seinem Namen gerufen fühlt und zu seiner Treue zurückfindet.
Der göttliche Titel, den Elija ausspricht, scheint in der Tat ein wenig
überraschend. Statt die übliche Formel "Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs" zu
verwenden, verwendet er die weniger gebräuchliche Anrede "Gott Abrahams, Isaaks
und Israels". Die Ersetzung des Namens "Jakob" durch "Israel" erinnert an den
Kampf Jakobs in der Furt des Jabbok sowie an den Namenswechsel, auf den der
Erzähler explizit hinweist (vgl. Gen 32,31) und über den ich in einer der
vergangenen Katechesen gesprochen habe. Diese Ersetzung erwirbt innerhalb der
Anrufung des Elija eine prägnante Bedeutung. Der Prophet betet für das Volk des
Nordreichs, das sich Israel nennt und sich von Juda unterscheidet, welches das
Südreich bezeichnete. Und nun fühlt sich dieses Volk, das seinen Ursprung und
seine bevorzugte Beziehung zum Herrn vergessen zu haben scheint, beim Namen
gerufen, während der Name Gottes, des Gottes des Patriarchen und des Gottes des
Volkes ausgesprochen wird: "Herr, Gott Israels, heute soll man erkennen, dass
du Gott bist in Israel".
Das Volk, für das Elija betet,
wird wieder vor seine Wahrheit gestellt, und der Prophet bittet, dass sich auch
die Wahrheit des Herrn zeigen möge und er einschreite, um Israel zu bekehren,
es von der Täuschung des Götzendienstes abzubringen und so zum Heil zu führen.
Er bittet, dass das Volk endlich wisse, dass es in Fülle erkenne, wer wirklich
sein Gott ist und die endgültige Entscheidung trifft, nur Ihm, dem wahren Gott,
zu folgen. Denn nur so wird Gott als das erkannt, was er ist, absolut und
transzendent, ohne die Möglichkeit, ihm andere Götter zur Seite zu stellen, die
seine Absolutheit durch seine Relativierung leugnen würden. Das ist der Glaube,
der Israel zum Volk Gottes macht, es ist der Glaube, der im bekannten Text des
"Shema' Israel" bekannt wird: "Höre, Israel! Jahwe, unser Gott, Jahwe ist
einzig. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit
ganzer Seele und mit ganzer Kraft" (Dt 6,4–5). Dem Absoluten
Gottes muss der Gläubige mit absoluter, totaler Liebe antworten, die
sein ganzes Leben, seine ganze Kraft, sein ganzes Herz beansprucht. Und gerade
für das Herz seines Volkes erbittet der Prophet mit seinem Gebet die Umkehr:
"Dieses Volk soll erkennen, dass du, Herr, der wahre Gott bist und dass du sein
Herz zur Umkehr wendest" (1 Kön 18,37). Elija bittet Gott durch seine
Fürsprache um das, was Gott selbst tun möchte: sich in seiner ganzen
Barmherzigkeit zeigen, treu seinem Wesen als Herr des Lebens, der verzeiht,
bekehrt, verwandelt.
Und genau das geschieht: "Da
kam das Feuer des Herrn herab und verzehrte das Brandopfer, das Holz, die
Steine und die Erde. Auch das Wasser im Graben leckte es auf. Das ganze Volk
sah es, warf sich auf das Angesicht nieder und rief: Jahwe ist Gott, Jahwe ist
Gott!" (V. 38–39). Das Feuer, dieses gleichzeitig notwendige und
furchterregende Element, das mit den göttlichen Erscheinungen des brennenden
Dornbuschs und des Sinai verbunden ist, dient nun dazu, die Liebe Gottes
anzuzeigen, der auf das Gebet antwortet und sich seinem Volk offenbart. Baal,
der stumme und machtlose Gott, hatte nicht auf die Anrufungen seiner Propheten
geantwortet; der Herr hingegen antwortet, und zwar auf unmissverständliche
Weise indem er nicht nur das Brandopfer aufnimmt, sondern sogar das ganze
Wasser trocknet, das um den Altar ausgegossen worden war. Israel kann keine
Zweifel mehr haben; die göttliche Barmherzigkeit ist seiner Schwäche, seinen
Zweifeln, seinem Mangel an Glauben entgegengekommen. Nun ist Baal, der eitle
Götze, besiegt und das Volk, das verloren schien, hat den Weg der Wahrheit und
sich selbst wiedergefunden.
Liebe Brüder und Schwestern,
was sagt uns diese Geschichte der Vergangenheit? Was ist die Gegenwart dieser
Geschichte? Vor allem geht es um den Vorrang des ersten Gebots: nur Gott
anbeten. Wo Gott verschwindet, verfällt der Mensch der Knechtschaft des
Götzendienstes, wie es in unserer Zeit die totalitären Regime gezeigt haben und
wie es auch verschiedene Formen des Nihilismus zeigen, die den Menschen von
Götzen, vom Götzendienst, abhängig machen; sie versklaven ihn. Zweitens: Das
vorrangige Ziel des Gebets ist die Umkehr – das Feuer Gottes, das unser Herz
zur Umkehr bewegt und uns in die Lage versetzt, Gott zu sehen und so Gottes
Willen entsprechend und für den anderen zu leben. Und der dritte Punkt: Die
Väter sagen uns, dass auch diese Geschichte eines Propheten prophetisch ist,
wenn sie – so sagen sie – ein Schatten der Zukunft, der Zukunft Christi ist; es
ist ein Schritt auf dem Weg zu Christus. Und sie sagen uns, dass wir hier das
wahre Feuer Gottes sehen: die Liebe, die den Herrn bis zum Kreuz führt, bis zur
völligen Selbsthingabe. Die wahre Anbetung Gottes ist also, sich selbst Gott
und den Menschen zu schenken, die wahre Anbetung ist die Liebe. Und die wahre
Anbetung Gottes zerstört nicht, sondern sie erneuert, sie verwandelt. Gewiss,
das Feuer Gottes, das Feuer der Liebe brennt, verwandelt, läutert, doch gerade
so zerstört es nicht, sondern schafft die Wahrheit unseres Daseins, erschafft
unser Herz neu. Und so, wirklich lebendig durch die Gnade des Feuers des
Heiligen Geistes, der Liebe Gottes, sind wir Beter im Geiste und in der
Wahrheit. Danke.