Das Geheimnis der Geburt Jesu
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Anmerkungen zu einer Sendung des ZDF am 25. 12. 20012
Fernsehproduktionen, die die Historizität
neutestamentlicher Berichte über Geburt und Leben Jesu in Zweifel ziehen oder
in Abrede stellen, hat es schon öfter gegeben. Man fragt sich daher, was das
ZDF bewogen hat, eine neue Variante hinzuzufügen, die offensichtlich eine neue
Dimension der Thematik eröffnen soll. "Ein Faktencheck" heißt der
Untertitel. Man beläßt es nicht mehr bei einer mehr oder weniger tendenziösen
Erörterung kontroverser Auffassungen wie in früheren
"Dokumentationen", sondern gibt zu jeder Frage eine Antwort, die als
unumstößliche Tatsache ausgegeben wird. Als maßgebliche Initiatorin darf die
ZDF-Moderatorin PETRA
GERSTER gelten, die bereits durch die
ZDF-Produktion "Die Päpstin Johanna", 9. April 2012, führte. Textautor beider Sendungen
ist DANIEL SICH, der auch das Drehbuch zu "Himmel,
Hölle, Fegfeuer", 29.
September 2012, in der Reihe HISTORY geschrieben und damit seine Vorbehalte
gegen Kirche und Christentum zur Genüge unter Beweis gestellt hat.
An sich ist der Inhalt der Sendung so unseriös und
durchsichtig, daß man sie nicht weiter zu beachten bräuchte. Auch daß viele
unbedarfte Zuschauer darauf hereinfallen, ließe sich verschmerzen. Aber die
Produktion scheint mir einen symptomatischen Stellenwert für den Macht- und
Deutungsanspruch der Medien, besonders des Fernsehens, zu besitzen. In einer
Sendung wie dieser bemächtigt sich das Medium Fernsehen des christlichen
Glaubens und deutet ihn in seinem Sinn um. Die Kirchen als Interpreten des
Christentums werden so zunehmend entmachtet. Als willige Helfer stellen sich
hierzu Hochschultheologen zur Verfügung. Von Universitätsprofessoren und
christlichen Intellektuellen erfährt das Lehramt im allgemeinen wenig Rückhalt.
Die Begriffe TATSACHE, FAKT dienen in dieser Filmproduktion einer tendenziösen Absicht. Denn sie sind in sich seelenlos. Man kann
sie nennen, ohne Stellung zu beziehen und ohne Gefühlsregung zu zeigen. In
diesem Sinn sind Tatsachen pseudo-objektiv. Für ein Elternpaar bedeutet die
Geburt eines Kindes gewöhnlich ein frohes Ereignis, das eine Ahnung vom Wunder
des Lebens vermittelt. Für die Eltern hat das Neugeborene also eine hohe
persönliche Bedeutung. Welche persönliche Bedeutung hat die
Weihnachtsgeschichte für Frau Gerster und ihr Team? Man hört nur Kritisches,
Distanziertes und die überzeugt vorgetragene Eigendeutung des Geschehens: "Jesus war auch für die
Ärmsten der Armen da".
Die Tendenz und geistige Verbogenheit der Sendung wird in den Einführungsworten bereits deutlich und im
weiteren Verlauf auf verschiedene Weise wiederholt: Der Sprecher stellt die
Weihnachtsgeschichte nach den Berichten der Evangelisten Lukas kurz vor und
fährt dann fort: "Aber was ist, wenn sich die Weihnachtsgeschichte gar
nicht so zugetragen hat?"
Die Moderatorin Petra Gerster wiederholt und
erweitert diese Einführung: "Die BOTSCHAFT ist klar: Da
offenbart sich Gott in einem hilflosen kleinen Kind,
das nicht etwa in einem Palast, sondern in einer Krippe bei Ochs und Esel das
Licht der Welt erblickt. Gibt es ein schöneres BILD für die Hoffnung der Gläubigen?"
Beachtenswert ist der Schwebezustand der Aussagen:
– BOTSCHAFT: Eine
Botschaft kann als ein werbender Appell aufgefaßt werden, der aus einer inneren
Überzeugung hervorgeht und Gleichgesinntheit hervorbringen soll. In den
Evangelien geht es jedoch nicht um begeisterte eigene Überzeugungen der
Verfasser, sondern um die Verkündigung der Wahrheit von Jesus Christus. Die Verantwortlichen des Films
stellen sich außerhalb des Wahrheitsanspruchs der Botschaft. Was sie unter Gott
und dem hilflosen kleinen Kind verstehen, bleibt im Ungewissen und kann mit
beliebigem Inhalt gefüllt werden.
– Ein schöneres BILD für die Hoffnung der Gläubigen: Das Wort BILD kann im Sinn von SYMBOL verwendet werden, braucht jedoch keine eigene Realität darzustellen.
Die Hoffnung der Gläubigen erweckt den Eindruck, daß hier von einer höheren
Warte auf diejenigen geblickt wird, die die Weihnachtsgeschehnisse für wahr
halten.
Die Filmführerin fährt fort: "Was ist aber mit
den Fakten? WISSENSCHAFTLER widersprechen den Berichten von Lukas und
Matthäus, weisen auf Widersprüche und Unstimmigkeiten in den Darstellugen der
beiden Evangelien hin. Muß am Ende die Geschichte von der Geburt Jesu NEU oder GANZ ANDERS erzählt
werden? Dieser Frage will ICH nachgehen."
Die Nachrichtenmoderatorin verleiht sich hier einen
Anspruch, für den sie keinerlei fachliche Kompetenz besitzt und der zeigt, daß
ihr Bescheidenheit und Maß abgehen.
WISSENSCHAFTLER ist
ein Suggestivbegriff für solche, die keine Wissenschaftler sind, aber deren
Ansichten brauchen, um ihren subjektiven Auffassungen den Anschein objektiven
Wissens zu geben. Im vorliegenden Fall sind Universitätstheologen gemeint. Zwei
weitere Fachleute für Astrologie und Medizingeschichte tragen nichts
Eigentliches zum Thema bei. Sie haben in gewisser Weise eine Alibifunktion. Im
Laufe der Sendung kommen nur zwei Vertreter der theologischen Wissenschaft zu
Wort, eine zu dürftige Zahl für den Plural Wissenschaftler. Die beiden
Vertreter entstammen der evangelischen Fakultät, eine einseitige Auswahl.
Obwohl selbst katholisch, hat Petra Gerster entweder kein Vertrauen in
katholische Theologen oder hat eine Abfuhr erhalten. Der männliche Repräsentant
ist CHRISTOPH MARKSCHIES, Jahrgang 1962, kein Professor für Neues
Testament, wie man etwa erwarten würde, sondern für Ältere Kirchengeschichte an
der Humboldt-Universität Berlin. Er ist den Fernsehproduzenten bereits als
bewährter Kritiker der Evangelien mit etwas lockerem Mundwerk bekannt und wohl
aus diesem einfachen praktischen Grund engagiert worden. Ihm zur Seite gestellt
ist die Theologin ELISABETH
GRÄB-SCHMIDT, Jahrgang 1956,
Professorin für Systematische Theologie an der Universität Tübingen und an
theologischen Einsichten profunder als ihr männlicher Kollege. Auch sie ist
also keine Exegetin und kann nicht über den Schatten lang tradierter
evangelischer Vorbehalte springen.
Der Begriff Wissenschaftler, wie er in der Sendung verwendet wird, könnte den Eindruck
erwecken, christliche Theologen seien nur ihrer Wissenschaft verpflichtet,
seien also von tradierten Lehrsätzen ausgenommen. In Wirklichkeit stehen sie im
Dienst der Kirche und sollten es sein. Das
Christentum verdankt seine Ausbreitung durch die Jahrhunderte der Glaubenskraft
und dem überzeugenden Wirken bedeutender Männer und Frauen, worunter sich auch
Theologen befinden, die sich aber viele Jahrhunderte in den Dienst der Kirche
stellten und keine Gegenlehren verkündeten.
Diesen Zusammenhang wollen die Produzenten dieses
Films jedoch nicht anerkennen. Sie wollen die Geschichte, Tradition und
Glaubenslehre der Kirche Jesu Christi relativieren, d.h. sie zu einer Kulturerscheinung herabstufen,
über der die jeweils neuesten Erkenntnisse der "WISSENSCHAFT" stehen.
Bevor weitere voreingestellte und unreflektierte
Vorstellungsweisen der Filmemacher zu hinterfragen sind, sollen die Ergebnisse
ihres "Faktenchecks" aufgelistet werden:
I.
Die Jungfrau war eine junge Frau.
II.
Wir wissen nicht, ob Josef der Vater Jesu war.
III.
Jesus wurde in einem Haus geboren.
IV.
Jesus wurde geboren wie jeder andere Mensch.
V.
Jesus war zeitlebens Jude.
VI.
Für Astronomen gibt es den Stern von Bethlehem nicht.
VII. Die Heiligen Drei
Könige sind eine schöne Erfindung.
VIII. Jesus war auch für die
Ärmsten der Armen da.
IX.
Den Kindermord des Herodes gab es nicht.
X.
Vieles spricht für Nazareth als Geburtsort Jesu.
XI.
Jesus hatte viele Geschwister.
XII. Jesus war eine
Ausnahmeerscheinung.
Die Antworten sind unterschiedlicher
Art. Die positiven oder abwägenden Antworten VIII. X. XII.
schließen sich den Stellungnahmen der Theologin Gräb-Schmidt an.
Antwort II. ist eigentlich widersinnig und noch genauer zu besprechen.
Antwort V. wird von niemandem bestritten. Hier hat der
Drehbuchautor wohl eine falsche Vorstellung von der Lehre der Kirche.
Antwort III. erscheint eher als eine Nebensächlichkeit, ist
aber konstruiert, um die jungfräuliche Geburt Marias ablehnen zu können.
Antwort VI. müßte nicht eigens betont werden, widerlegt aber
nicht die Historizität einer Erscheinung, die sich naturwissenschaftlicher
Feststellung entzieht. Sie setzt den Glauben an die wunderbaren Möglichkeiten
Gottes voraus.
Die übrigen fünf Antworten
gehören in ähnlicher Weise unterschiedlichen Kategorien an und sind einzeln zu
bewerten.
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Die Zweifel an der Historizität der
Evangelienberichte sind alt. Sie beginnen im Aufklärungszeitalter des 18.
Jahrhunderts, als man die Wundertätigkeit Jesu bestritt, haben viele Spielarten
durchlaufen und werden auch heute als willkommene Hilfen eingesetzt, um die
Grundlagen des Christentums anzufechten und bestimmte Interessen und Ziele zu
verfolgen.
Wer bezweifelt, daß Berichte der
Evangelien mit der Wirklichkeit übereinstimmen, unterstellt den berichtenden
Evangelisten entweder die Absicht, daß sie betrügen wollten oder daß sie unfähig waren, objektive Wahrheiten zu erkennen. Im
Hintergrund steckt die Weigerung, die eigenen Denkgrundlagen zu überprüfen.
Vielmehr wird die Wirklichkeitswahrnehmung der jeweiligen Gegenwart zum
unverrückbaren Maßstab rationaler Objektivität gemacht. Letztlich stammen alle
Vorbehalte gegen die Historizität der neutestamentlichen Berichte menschlicher Überheblichkeit, wovon bei Markschies ein gerüttelt
Maß wahrzunehmen ist, wenn er hinsichtlich des bethlehemitischen Kindermords
und der Flucht nach Ägypten von "Marketing-Strategie" des
Evangelisten Matthäus spricht.
Um zur Annahme der Historizität der
Evangelienberichte zu gelangen, scheint mir die Erfüllung zweier Vorbedingungen
erforderlich zu sein:
–
Das Christentum geht aus dem Judentum hervor. Das Alte
Testament beschreibt den wechselhaften Weg Israels unter der Führung Gottes.
Die Propheten traten als Mahner auf, ihrem Gott die Treue zu halten. Eine
literarische und religiöse Beschäftigung mit den wichtigsten Propheten Jesaia,
Jeremia, Ezechiel und Daniel erscheinen mir unabdingbar.
–
Jesus
ist der von den Juden erwartete Messias. Er ist die zweite göttliche Person und
Sohn des Vaters. In ihm ist die Wahrheit Person geworden (Joh 14.6). In ihm
haben sich die Prophezeiungen der Propheten erfüllt. Wenn Jesus den Jüngern von
Emmaus darlegte, "was über ihn in der gesamten Schrift geschrieben
steht" (Lk 24, 27), ist die Behauptung unzulässig, Matthäus habe die
Flucht nach Ägypten erfunden, um durch Zitierung einer alttestamentlichen
Stelle (Hos 11,1) seinem Evangelium größere Glaubwürdigkeit zu verleihen.
Heutzutage sitzt der grundsätzliche
Zweifel an der historischen Wirklichkeit der Evangelien so fest, daß es niemand
einfällt, vom methodischen Gegenteil auszugehen: Die Darstellungen der
Evangelien sind als historische Wirklichkeit zu werten. Sind Widersprüche oder
Unstimmigkeiten vorhanden, ist zu versuchen, sie durch übergeordnete Kriterien
aufzulösen, oder wenn es nicht gelingt, geeignete Erklärungen zu finden, wie
etwa für den Stern von Bethlehem, ist die Lösung des Problems offen zu lassen.
An der Wahrheitsliebe und dem vernunftgerechten Denken der Evangelisten ist
nicht zu zweifeln. Vielfach zweifeln muß man jedoch am guten Willen der
Exegeten. Sie sind den jüdischen Schriftgelehrten vergleichbar, die sich auf
Formalien versteifen und nicht den Mut haben, sich von Gottes Geist führen zu
lassen. Sonst würden sie etwa erkennen, daß das, was in den Evangelien nicht
ausdrücklich steht, durch zulässige Phantasie ergänzt werden kann, etwa die
Rolle Marias für die Apostel und die junge Kirche nach der Herabkunft des
Heiligen Geistes an Pfingsten. Es fehlt ihnen an innerer Verbundenheit mit
Jesus Christus, dem Mittelpunkt seiner Kirche.
Zu einigen Antworten seien einige
Anmerkungen hinzugefügt:
Zu I.
Wenn Herr Markschies im antiken Athen
behauptet hätte, Athena sei eine junge Frau statt eine Jungfrau (parthénos),
wäre er wohl auf der Stelle gelyncht worden.
Matthäus zitiert in 1, 22 Jesaia 7,
14: "Seht, die Jungfrau wird empfangen, sie wird einen Sohn gebären, und
sie wird ihm den Namen Immanuel geben". Benedikt XVI. interpretiert diese
Stelle ausführlich in seinem dritten Jesusbuch S.55-59. Auf die Kontroverse
Jungfrau – junge Frau geht er nicht ein, sie ist wirklich eine olle Kamelle der
Vergangenheit, die Markschies nur noch nicht zur Kenntnis genommen hat.
In
besagter Stelle gibt Jesaia dem König Ahab, der eine für Jesaia inakzeptablen
Schutzvertrag mit Assur abschließen will, ein ZEICHEN dafür, daß er, Jesaia,
recht und Ahab unrecht hat. Eine junge Frau, die ein Kind empfängt und gebiert,
ist schwerlich ein Zeichen, das geschieht jeden Tag. Aber daß eine Jungfrau ein
Kind empfängt, ist außergewöhnlich und dient als ein echtes Zeichen. In der
Septuaginta, der Übersetzung des Alten Testaments ins Griechische durch
jüdische Gelehrte zu Beginn des dritten vorchristlichen Jahrhunderts, wird für
das hebräische alma das griechische Wort für Jungfrau parthénos
verwendet.
In bewußter
Mißachtung der Wahrheit wird MARIA als "junges Bauernmädchen" bezeichnet, um sie als bedeutungslos
erscheinen zu lassen. Woher will der Autor dies als "Tatsache" wissen?
Die Wahrheit ist, Maria war mit dem Priester Zacharias und seiner Frau
Elisabeth verwandt (Lk 1,36). Auch dem Priester Zacharias wird vom Engel
Gabriel angekündigt, daß seine Frau schwanger werden würde. Lukas hat aus
beiden Geschehnissen eine kunstvolle Parallelerzählung gestaltet. Als Maria von
der Schwangerschaft Elisabeths erfuhr, begab sie sich sofort zu ihr, um ihr
beizustehen.
Wenn es um
bedeutende Personen geht, ist das Interesse an ihrer Herkunft gewöhnlich groß.
Auch hier hätte das Filmteam mehr über Maria erfahren können. Nach dem Protoevangelium
des Jakobus,
das zu den Apokryphen zählt, waren die Eltern Marias Joachim und Anna.
Sie weihten Maria Gott, nachdem sie viele Jahre vergeblich auf ein Kind gehofft hatten. Im Alter von 3 Jahren schickten
sie Maria nach Jerusalem, wo sie im Tempel mit anderen Mädchen als
Tempeljungfrau diente. Dies alles rückt sie weit weg von einem ungebildeten
"Bauernmädchen".
Zu II.
"Wir wissen nicht,
ob Joseph
der Vater Jesu war." Zuvor
formulierte Frau Gerster "Wir
wissen nicht, wer der leibliche Vater Jesu war". Beide Aussagen stehen in offensichtlichem
Widerspruch zueinander, der aber die Problematik des "Faktenchecks"
symptomatisch beleuchtet: Wenn die Glaubwürdigkeit der Evangelisten an sich
angezweifelt wird, warum sollte dann überhaupt noch eine Aussage als Tatsache
anerkannt werden? Wenn es sich bei der ersten Aussage nicht um einen
Flüchtigkeitsfehler der Redaktion handelt, dann ist anzunehmen, daß der
verantwortliche Autor Josephs Konfliktsituation für erfunden hält, um der
Empfängnis Jesu durch den Heiligen Geist eine plausible Begründung zu geben.
Daß Maria durch das Wirken des Heiligen Geistes ein Kind empfangen hat (Mt 1,
18), wird als Tatsache wie selbstverständlich ausgeschlossen, sei es aus
Unglauben oder weil man das methodische Prinzip einhalten zu müssen glaubt, daß
Übernatürliches sich jeder faktischen Feststellbarkeit entzieht. Dann hätte man
aber von dem Filmvorhaben von vorneherein ablassen sollen.
Zu IV.
"Jesus wurde geboren wie jeder
andere Mensch." Diese Aussage ist für einen dem christlichen Glauben
Fernstehenden unverständlich, denn die implizit angefochtene Glaubensaussage,
Maria habe ohne Wehen auf wunderbare Weise Jesus geboren, bleibt unerwähnt. Die
Szene ist bewußt realistisch gestaltet und soll auf ärgste Weise provozieren.
Da Maria nach der Lehre der Kirche von der Erbsünde ausgenommen wurde, mußte
sie nicht "unter Schmerzen" (Genesis 3, 16) gebären wie alle Nachkommen
Evas. Sie war Jungfrau vor der Geburt, während der Geburt und nach der Geburt
(virgo ante partum, in partu, post partum).
Zu VII.
"Die Heiligen
Drei Könige sind eine schöne Erfindung." Diese Aussage ist eine bewußte
Täuschung. Denn zur Debatte steht nur der Text des Evangelisten Matthäus und
der spricht von "magoi". Papst Benedikt XVI. hat in seinem Jesusbuch
dargelegt, wie aus den Weisen Könige wurden (S. 105): Die kirchliche Tradition
hat sich inspirieren lassen von Jesaia 60, wo von einer großen Wallfahrt nach Jerusalem
die Rede ist. Es heißt dort "Völker wandern zu deinem Licht und Könige zu
deinem strahlenden Glanz" (60, 3) und "Zahllose Kamele bedecken dein
Land, Dromedare aus Midian und Efa. Alle kommen von Saba, bringen Weihrauch und
Gold und verkünden die ruhmreichen Taten des Herrn" (60, 6). Ähnliche
Aussagen finden sich in Psalm 72, 10. Die Weisen sind auf drei festgelegt
worden wegen der drei Geschenke Gold, Weihrauch und Myrrhe.
Die Täuschungsabsicht ist leicht
durchschaubar. Mit gläubiger Phantasie ausgestaltete Traditionen der
Kirchengeschichte sollen auf die Evangelienberichte zurückübertragen werden, um
sie unglaubwürdig zu machen.
Zu VIII.
"Jesus war auch
für die Ärmsten der Armen da." Die Vorformulierung hierfür übernahm GRÄB-SCHMIDT. Sie leitet ihren Kommentar mit
"Nach Lukas ..." ein. Es bleibt offen, ob sie selbst an die
Geschichtlichkeit der Hirten glaubt. GERSTER
ist da deutlicher: "Ob Hirten bei der Krippe waren oder nicht,
entscheidend ist die BOTSCHAFT: Jesus war für alle da, auch für
die Ausgestoßenen und Rechtlosen". Wenn die Hirten nicht bei der Krippe
waren, sind sie als eine menschenfreundliche BOTSCHAFT erfunden worden: Jesus ist lediglich Auslöser einer
religiösen Bewegung, es sind die Menschen selbst, die sie zu einer letzlich
humanen IDEE weiterentwickeln. Dabei waren die
Kirchen in erster Linie auf Macht bedacht. Wie verstehen wohl Sich, Gerster und Co. diesen Jesus? Ist er als Herr
seiner Kirche noch gegenwärtig oder ist er doch nur eine in die Zukunft
wirkende Gestalt der Vergangenheit? Angesichts der immer noch präsenten Kirchen
und Gläubigen fühlt der säkulare Mensch noch eine vage kollektive
Verpflichtung, sich an christlichen Idealen zu orientieren, um sich nicht ins
kulturelle Abseits zu stellen.
Zu IX.
"Den Kindermord
des Herodes gab es nicht." Dieser Abschnitt der "Recherche" ist am
unseriösesten und unverblümtesten ausgeführt. Benedikt XVI. weist auf S. 116 darauf hin, daß
Herodes im Jahr 7 v.Chr. seine Söhne Alexander und Aristobul hinrichten ließ,
im Jahr 4 v.Chr. auch noch seinen Sohn Antipater. Wie kann man dann die
Möglichkeit, daß er auch die Kinder von Bethlehem ermorden ließ, kategorisch in
Abrede stellen ("Herodes wurde zu Unrecht verurteilt")?
Zu XI.
"Jesus hatte viele
Geschwister". Diese Behauptung
geht dem Herrn Professor locker von der Zunge – nicht ohne treuherzigen
Augenaufschlag. Es ist eine Tatsache, daß sich die Bezeichnungen
"Brüder" und "Schwestern" im semitischen Kulturkreis auf
Cousins und Cousinen erstreckten. Markschies folgt bedingungslos
protestantischer Tradition (seit dem 19. Jh.), um sich hartnäckig der
immerwährenden Jungfräulichkeit Marias widersetzen zu können. Die Beweisführung
für Marias einzige Geburt ist möglich, aber umfangreich. Die Frage nach
leiblichen Geschwistern Jesu ist zumindest offen zu halten.
Zu XII.
"Jesus war eine
Ausnahmeerscheinung". Zum Schluß soll zumindest die Geschichtlichkeit Jesu
gerettet werden. Freilich geht das nicht ohne vorhergehende und nachfolgende
Einschränkungen. Zuerst hat der Sprecher das Wort: "Nicht unwahrscheinlich,
daß es diesen Auftritt im Tempel gab. Ob Jesus sich als Gottes Sohn verstand?
Der Evangelist, der nicht dabei war, hat es so erzählt." Die
Gottessohnschaft Jesu läßt sich nicht an dieser einen konkreten Situation
entscheiden, sie ist Inhalt der gesamten Evangelien. Die Präsenterin formuliert
denn auch auf grundsätzlicher Ebene: Ob Jesus auch Sohn
Gottes ist, das ist Glaubenssache.
Der Christ wird
dazu sagen: Die Evangelienberichte sind geschichtliche Tatsachen, eben weil
Gott selbst eine Tatsache ist. Gott ist die Quelle jeder Wirklichkeit. Wer an
Gott nicht als eine Tatsache glaubt, muß alles aus seiner eigenen
Wirklichkeitssicht ausschließen, was mit dem Wirken Gottes zu tun hat. Die
Tatsache Gottes geht also dem Glauben oder Nicht-Glauben des Einzelnen voraus.
Dieser kann entscheiden, ob er die Tatsache Gott anerkennt oder nicht.
Wer einmal beginnt, wesentliche
Aussagen und Geschehnisse der Evangelienberichte als ungeschichtlich zu
bezeichnen, wird notgedrungen alles übrige nach geschichtlich und
ungeschichtlich unterscheiden müssen. Es ist aber ein unmögliches Unterfangen,
weil alles mit allem zusammenhängt.
In Wirklichkeit sind die Angriffe auf
die Geschichtlichkeit der Evangelienberichte nur punktuell ausgerichtet. Die
Absicht ist, Zweifel zu säen und zu hoffen, daß dadurch Menschen vom Glauben
als ganzem abkommen.
Die Medienvertreter maßen sich an,
die Kriterien zu besitzen, nach denen zwischen Wirklichkeit und
Nichtwirklichkeit unterschieden werden kann.
-------------------------
Das Ende der Sendung leitet GRÄB-SCHMIDT mit etwas orakelhaften Worten ein: "Den
Evangelisten geht es nicht um historische Wahrheit, aber um Wahrheit. Sie haben keine Phantasieerzählungen gedichtet, das
zeigt sich auch durchaus an der historischen Verortung, aber die Wahrheit geht im Historischen nicht auf. Die Wahrheit hat umfassendere Bedeutung für das menschliche
Leben im Ganzen."
An der Wahrheit sind
jedoch weder der Drehbuchautor noch die Präsentationsdame interessiert. Sie
setzen auf Verquirlung der Begriffe: Zuerst der Sprecher:
"Ob fromme Legende oder
historische Fakten, Geschichte oder Glauben, alles ist in der
Weihnachtsgeschichte zu finden. Entscheidend ist, was man daraus macht."
Hier ist wieder die humane Idee des
Christentums, die der Einzelne in eigener Leistung verwirklichen soll. Von der
Erlösungsbedürftigkeit des Menschen und seiner Hinwendung zu Gott ist keine
Spur vorhanden.
Wer würde bei dieser Aufhebung jeder
Verbindlichkeit und Verweigerung der Wahrheitsfrage nicht an den Hexenkessel in
Shakespeares MACBETH erinnert (Übersetzung Dorothea Tiek):
Sumpf'ger Schlange Schweif und Kopf
Brat und koch im Zaubertopf
Molchesaug und Unkenzehe,
Hundemaul und Hirn und Krähe,
Hand des neugebornen Knaben,
Den die Metz' erwürgt im Graben,
Dich soll nun der Kessel haben.
Tigereingeweid' hinein
Und der Brei wird fertig sein. (4,1)
Der Präsenterin obliegt die Aufgabe,
das unverblümte Fazit zu ziehen, auf das die ganze Zeit hingearbeitet wurde:
"Die Evangelisten haben aus der
Geburt Jesu einen farbenfrohen Roman gemacht."
Aber das spielt, wie wir bereits mehrfach gehört
haben, keine Rolle. Denn es kommt ja auf die BOTSCHAFT und die IDEE an. Bevor Frau Gerster ihr Fazit zu Ende bringt,
sollen noch einmal die Hexen aus Macbeth, Eingangsszene zu Wort kommen:
Fair is foul and foul is fair
Hover through the fog and filthy air.
Die Präsenterin beglückt uns mit
folgender einleitender Weisheit: "Letztlich geht es nicht um wahr oder falsch, sondern um viel mehr:"
Nanu, fragt man sich, was gibt es
wohl Höheres als die Wahrheit? Sagt nicht Jesus: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das
Leben" (Joh.14,6)? Wenn es nicht um wahr oder falsch geht, warum hat man
sich dann überhaupt die Mühe gemacht, diese Sendung zu produzieren? Welche
versteckte Motive stecken dahinter?
Der Schluß soll ein happy end haben,
also sagt unsere Märchenerzählerin mit gläubigem Anschein: "Zum ersten Mal
kommt da jemand auf die Welt, der nicht Ruhm, Glanz und Reichtum verherrlicht,
sondern sich der Armen, Schwachen und Ausgestoßenen annimmt, eine Geschichte,
die es wert ist, immer wieder erzählt zu werden, und eine BOTSCHAFT, die die
Menschheit bis heute bewegt."
Nun, was Frau Gerster hier anbietet,
wird erst dreißig Jahre später Wirklichkeit und ist dürftig. Denn Jesus will
den Mensch den Weg zum ewigen Leben führen. Dafür hat er in letzter Konsequenz
sein Leben am Kreuz hingegeben. Die Gläubigen haben es nicht nötig, eine
Deutung von Jesu Wirken von Gersters Gnaden zu erhalten.
Anderseits, Jesus gehört der ganzen
Menschheit, und auch Frau Gerster und der Drehbuchautor Sich können ihn für sich in Anspruch nehmen. Allen, die
ihn ähnlich wie diese beiden in den Mund nehmen, gilt das Wort Jesu, das er an
den Pharisäer richtete, der gefragt hatte, wer denn sein Nächster sei. Am Ende
der Geschichte vom barmherzigen Samariter sagt Jesus: "Geh hin und handle
ebenso!" Jesus und seine Botschaft können von niemandem vereinnahmt
werden, es hat nur die Glaubwürdigkeit zu gelten, die jemand in der Nachfolge
Jesu verdient. "Wer der Erste sein will, soll der Diener aller sein (Mk
9,35)."
-------------------
Der Feigenblattcharakter des Begriffs
WISSENSCHAFTLER wurde bereits erwähnt. Was in der Sendung als
"Faktencheck" ausgegeben wird, beruht genau genommen auf WERTUNGEN der
befragten beiden Theologen. Jeder wertende Wissenschaftler ist danach zu
fragen, ob er die Grundlagen seines Wertedenkens
hinreichend reflektiert hat, oder ob er sich von uneingestandenen Vorurteilen
leiten läßt. Im vorliegenden Fall sind Herr Markschies und
Frau Gräb-Schmidt zu fragen, warum sie an der historischen
Wahrheitsliebe der Evangelisten zweifeln. Wenn der Professor von
Marketing-Strategie des Evangelisten Matthäus spricht, muß man sich fragen, ob
er nicht von sich auf andere schließt. Man kann ihn durchaus eine theologischen
Baron Münchhausen nennen, wie er mit unbeirrter Miene seine Behauptungen von
Stapel läßt, als wäre er selbst Augenzeuge gewesen und nach einem vielfachen
Siebenschläfer-Zeitraum der Menschheit zurückgeben worden. Er hat willfährig
das gesagt, was seine Auftraggeber von ihm erwarteten. Er hat sich so zum
Komplizen kirchenfeindlicher – besonders romfeindlicher – Tendenzen gemacht.
Die Motive für diese Filmproduktion
sind in der Pathologie des Unglaubens zu suchen, die darin besteht, nicht
wahrhaben zu wollen, daß der Nicht-Glaubende an seinem Unglauben selbst schuld
ist und sich aus der Gemeinschaft der Glaubenden ausschließt. Er will nicht
anerkennen, daß der Mensch nicht aus sich selbst vollkommen werden kann. Er
hält das Vollkommenheitsideal für undurchführbar und der menschlichen Natur
widersprechend. Weil aber besonders die katholische Kirche am Ideal der
Vollkommenheit und Heiligkeit festhält, wird sie angefeindet. Ziel der
Anfeindung ist in dieser Sendung weniger Jesus, den man mit der nichtssagenden
Phrase "Jesus war
auch für die Ärmsten der Armen da" bequem abhaken kann, sondern seine Mutter MARIA,
deren Ausnahmestellung mehrere Dogmen definieren: Befreiung von der Erbsünde,
immerwährende Jungräulichkeit, leibliche Aufnahme in den Himmel. Sie ist der
dogmatische Exemplarfall für die Ablehnung des gesamten Lehrgebäudes der
Kirche, das als deren Machtinstrument über die Gläubigen angesehen wird.
Verbunden mit der Demontage Marias sind Eifersucht, Neid, Spott und
Hochmut gegenüber Gläubigen, die Maria
verehren. Daher ist sie in dem Film nur ein "junges Bauernmädchen",
ist sie keine Jungfrau, sondern eine junge Frau, gebiert sie ihren Sohn mit
schmerzverzerrtem Gesicht und bekommt sie noch weitere Kinder.
In der Herabsetzung
Marias wird nicht nur die Lehre der Kirche angegriffen, sondern die Kontinuität
einer 2000-jährigen Geschichte ignoriert, während der unzählige Frauen nach dem
Vorbild Marias die freiwillige Ehelosigkeit wählten sowie eine reiche Kultur
des Geistes und Künste aus lebendig gelebtem Glauben geschaffen wurde. Blinde
Geschichtsvergessenheit nennt sich das.
Frau Gerster versteht es, ihre Thesen
mit adretter Sachlichkeit vorzutragen, aber hinter der Fassade des schönen
Scheins verschwören sich Vorurteil und Aggression. In Abwandlung eines
berühmten sallustischen Chiasmus (con.Cat. 5,4) könnte für sie gelten: satis
formae, sapientiae parum – genügend Aussehen, an Einsicht zu wenig.
Der Sprecher trägt seinen Text mit
sanfter und respektvoller Stimme vor, der Inhalt ist jedoch respektlos und
perfid, voll Unwahrheit und Verfälschung.
Armin Rieble
83071 Stephanskirchen
Erstellt: Dezember 2012