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Denkansätze für eine neue Philosophie des Individuums und der Gemeinschaft

(in langfristigem Aufbau)

Ziel einer neuen Philosophie soll sein, individualistische Sackgassen zu überwinden und Gemeinschaftsbezüge aufzuzeigen, die dem Individuum eine erfüllte Identität geben können.

I. Eine neue Philosophie

1.       Unter den zahlreichen Antworten, die man auf die Frage "Worum geht es in der Philosophie?" erwarten kann, scheint mir die folgende am kürzesten und zutreffendsten zu sein: "Es geht um den Menschen". Die Fragestellungen der Philosophie ergeben sich aus der jeweiligen Situation des Individuums und der Gemeinschaft in einem bestimmten Zeitabschnitt menschlicher Geschichte.

2.       Eine neue Philosophie soll also die Fragen und Antworten finden, die dem heutigen Menschen geistige Orientierung und innere Freiheit bieten können. Dabei sollen alle früheren Erkenntnisse der Philosophie, die zur Wahrheitsfindung beigetragen haben, ihre Gültigkeit behalten.

3.       Eine für die heutige Zeit erforderliche Philosophie hat also einen anthropologischen Kern, um den sich weitere Bereiche der Philosophie, die von der Beschaffenheit des Subjekts zur Erkennbarkeit objektiver Gegebenheiten führen, konzentrisch anordnen.

4.       Die philosophische Reflexion beginnt mit Begriffen, die im zeitgeschichtlichen Denken vorgegeben und von Bedeutung sind.

5.       Eine neue Philosophie muß den ganzen Menschen umfassen, von der Hilfsbedürftigkeit des Neugeborenen über die Selbstbestimmungsmöglichkeiten des Erwachsenen hin zur Hilflosigkeit des sterbenden Pflegepatienten. Sie muß die Dualität von Geist und Körper und von Mann und Frau einschließen.

6.       Eine neue Philosophie muß ontologisch sein, d.h., das Denken muß aus der Lebensmitte des Denkenden hervorgehen und wieder zu ihr zurückführen, gleichsam in ihr geerdet werden. Die Lebensmitte des Philosophen muß dem Sein des Seienden geöffnet sein und von ihm her die absoluten Ideen alles Seienden zu empfangen. Das Denken muß gleichsam die Wolkendecke des Endlichen und eines zwanghaft verengten Wissenschaftsbegriffes durchbrechen, um die Person zur inneren Freiheit zu führen.

7.       Die neue Philosophie will jedem Menschen befähigen, durch eigenes Denken zu sinnstiftenden Erkenntnissen der Wahrheit zu gelangen. Die Methode dieses Denkens ist einfach: Man mache eine Idee (eine Vorstellung, einen Begriff), die man für vollkommen, gültig und wahr hält, zum Ausgangspunkt weiterer folgerichtiger Überlegungen.

Der Ausgangspunkt des Denkens muß also stets bejahend, nicht verneinend sein. Zurückweisung ist dort angebracht, wo sich der Bejahung unberechtigt Verneinung entgegenstellt.

8.       Jeder Philosoph beansprucht, gültige Aussagen zu machen. Er setzt sich mit den Aussagen anderer Philosophen argumentativ auseinander, stimmt den einen zu, modifiziert andere und lehnt wiederum andere ab. Auch ich werde mich mit philosophiegeschichtlich relevanten Strömungen auseinandersetzen, sie aber nicht in den Vordergrund rücken.

9.       Philosophie hat mit Wahrheit zu tun. Sie stellt sich dem Schein, dem Irrtum, der Lüge und der Täuschung entgegen. Eine neue Philosophie wird daher das unreflektierte oder überreflektierte Dickicht moderner Geisteshaltungen zu entwirren und sich zäh behauptende Verdrängungen aufzudecken haben.

II. Was leistet Philosophie?

1.       Philosophie ist die Kunst des richtigen Denkens. Sie ist möglich, weil der Mensch mit Vernunft begabt ist. Die Vernunft befähigt ihn, Dinge und Wesenheiten zu benennen und in Sprache zu fassen. Die Struktur der Sprache ist von der Art, daß sie durch Anwendung logischer Gesetze gültige Urteile fällen kann. Ein Urteil ist eine Schlußfolgerung aus zwei Prämissen.

2.       Eine wesentliche Fähigkeit der Vernunft besteht darin, den Zusammenhang zwischen Ursache und Folge bzw. die Ursachen von Vorgängen und Verhaltensweisen zu erkennen.

Wenn Vernunftbegabung das Wesen des Menschen ausmacht, ist es seine Aufgabe, durch den Gebrauch seiner Vernunft den Sinn seines Lebens zu erfüllen. Dies drückt der Dichter Vergil durch den Vers aus:

Félix, quí potuít rerúm cognóscere cáusas.

Glücklich, wer die Ursachen der Dinge erkennen konnte. (Georgica 2,490)

3.       Als Wissenschaft der Vernunft und der logischen Gesetze definiert die Philosophie nicht nur ihren eigenen Geltungsbereich, sondern versucht, alle Wissenschaften in ein Ordnungssystem zu integrieren. Sie ist in den übrigen Wissenschaften selbst am Werk, wenn diese ihren eigenen Geltungsbereich abstecken.

Philosophen definieren den Zuständigkeitsbereich der Philosophie unterschiedlich. Wahre Philosophie sollte umfassend sein und zu den Disziplinen hinführen können, für die sie selbst nicht zuständig ist, z.B. für die Theologie und Psychologie.

4.       Das griechische Wort philosophía heißt Liebe zur Weisheit. Es ist unmöglich, auf Dauer etwas zu lieben, was nicht existiert. Die Liebe als höchstes Vermögen des Menschen richtet sich in der Philosophie auf das am höchsten Liebenswerte, der Quelle aller Weisheit. Die Philosophie hat es also mit dem Ursprung alles Seins und seiner Vollkommenheit zu tun. Daher ist ein Philosoph wesensmäßig ein gläubiger Mensch, während ein ungläubiger Philosoph einen Widerspruch in sich darstellt.

5.       Eine Folge von Vorgängen, die der Mensch erkennen und unterscheiden kann, bildet nicht selten einen Kreislauf, am deutlichsten in der Wiederkehr von Tag und Nacht und der Jahreszeiten. Daraus und aus vielem anderen erkennt der in Raum und Zeit gestellte Mensch eine Ordnung, der er alles Gute in seinem Leben verdankt.

Die Erkenntnis der Ordnungskräfte in Natur und Kosmos verpflichtet die Vernunft, auch das eigene Leben zu ordnen. Dieses vollzieht sich in einer Gemeinschaft von Menschen, für die der einzelne Mensch geschaffen ist.

Die Stiftung von Ordnung in einer menschlichen Gemeinschaft verlangt mit zunehmender Zahl ihrer Mitglieder immer größere Differenzierung. Fortschreitende technische Fähigkeiten führt zu Spezialisierung in einzelne Berufszweige.

In Griechenland entwickelte sich der Beruf des Philosophen. Der Philosoph ist nicht damit zufrieden, die bestehende Lebensordnung und Weltsicht als fraglose Gegebenheit im Wetstreit mit den übrigen Menschen zu vollziehen, sondern unterzieht sie einer vernunftgemäßen Überprüfung. Dies führt ihn zur Erforschung von geistigem Neuland.

6.       Die Philosophie leistet also 3 Dinge:

         Sie erklärt nur für gültig, was vernunftgemäßem Denken entspricht.

         Sie erkennt Ordnung außerhalb des menschlichen Lebens

         Sie erkennt die Notwendigkeit und die Verpflichtung, die menschlichen Verhältnisse zu ordnen. Dabei fördert die Vernunft durch das Prinzip der Analogie das Vertrauen, daß im menschlichen Bereich Ordnung grundsätzlich möglich ist.

 

Erstellt: November 2006

 

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