Papst Benedikt XVI.
Generalaudienz am 27.5.09
Theodoros Studites
Liebe Brüder und Schwestern!
Die persönliche Geschichte Theodoros blieb weiterhin bewegt. Mit
der ihm eigenen Energie wurde er zum Anführer des Widerstands gegen den
Ikonoklasmus Leos V., des Armeniers, der sich von neuem Bildern und Ikonen in
den Kirchen widersetzte. Eine Ikonenprozession, die die Mönche von Studios
durchführten, rief die Reaktion der Polizei hervor. Zwischen 815 und 821 wurde
Theodoros gegeißelt, ins Gefängnis gesperrt und an verschiedene Orte in
Kleinasien verbannt. Am Ende konnte er nach Konstantinopel zurückkehren, jedoch
nicht in sein eigenes Kloster. Er ließ sich daraufhin mit seinen Mönchen auf
der anderen Seite des Bosporus nieder. Er starb, wie es scheint, am 11.
November 826 in Prinkipos, dem Tag, an dem der byzantinische Kalender seiner
gedenkt. Theodoros hat sich in der Kirchengeschichte als einer der großen
Reformatoren des Klosterlebens sowie auch, während der zweiten Phase des
Ikonoklasmus gemeinsam mit dem Patriarchen von Konstantinopel, dem heiligen
Nikephoros, als Verteidiger der heiligen Bilder ausgezeichnet. Theodoros hatte
verstanden, dass die Frage der Bilderverehrung die Wahrheit der Menschwerdung
selbst betraf. In seinen drei Büchern „Antirretikoi“ (Widerlegungen) stellt
Theodoros einen Vergleich auf zwischen den ewigen Beziehungen innerhalb der
Dreifaltigkeit, wo das Dasein einer jeden göttlichen Person die Einheit nicht
zerstört, und der Beziehung zwischen den beiden Naturen in Christus, die in Ihm
nicht die einzige Person des „Logos“ in Frage stellen. Und er folgert: Die
Verehrung der Ikone Christi abzuschaffen, würde bedeuten, sein Heilswirken
selbst auszulöschen, nachdem das unsichtbare ewige Wort als Mensch sichtbar
geworden ist und auf diese Weise den ganzen sichtbaren Kosmos geheiligt hat.
Die Ikonen, die durch die liturgische Segnung und durch die Gebete der
Gläubigen geheiligt werden, vereinen uns mit der Person Christi, mit seinen
Heiligen und durch sie mit dem himmlischen Vater und bezeugen das Eintreten der
göttlichen Wirklichkeit in unseren sichtbaren und materiellen Kosmos.
Theodoros und seine Mönche, mutige Zeugen zur Zeit der
ikonoklastischen Verfolgungen, sind untrennbar mit der Reform des Klosterlebens
in der byzantinischen Welt verbunden. Ihre Bedeutung fällt bereits durch einen
äußeren Umstand auf: ihre Anzahl. Während die Klöster der damaligen Zeit die
Zahl von dreißig oder vierzig Mönchen nicht überschritten, wissen wir aus dem
„Leben des Theodoros“, dass es insgesamt mehr als tausend studitische Mönche
gab. Theodoros selbst berichtet, dass in seinem Kloster etwa dreihundert Mönche
lebten; wir sehen also die Glaubensbegeisterung, die im Umfeld dieses wirklich
klugen und vom Glauben selbst gebildeten Mannes entstanden ist. Mehr als die
Anzahl erwies sich jedoch der neue Geist als einflussreich, mit dem der Gründer
das Klosterleben prägte. In seinen Schriften besteht er auf der Notwendigkeit
einer bewussten Rückkehr zur Lehre der Väter, vor allem des heiligen Basilius,
der als erster eine Mönchsregel aufgestellt hat, und des heiligen Doro-theos
von Gaza, dem berühmten geistlichen Vater der Wüste Palästinas. Der
entscheidende Beitrag Theodoros besteht darin, dass er auf der Notwendigkeit
der Ordnung und der Unterordnung seitens der Mönche besteht. Während der
Verfolgungen waren sie zerstreut worden und hatten sich daran gewöhnt, jeder
nach eigenen Vorstellungen zu leben. Nun, da es möglich war, das
Gemeinschaftsleben neu aufzubauen, musste man sich sorgfältig bemühen, das
Kloster wieder zu einer wirklich organischen Gemeinschaft zu machen, zu einer
wirklichen Familie oder – wie er es ausdrückt – zu einem wirklichen „Leib
Christi“. In einer solchen Gemeinschaft verwirklicht sich konkret die Realität
der Kirche als Ganzer.
Eine weitere Grundüberzeugung Theodoros ist folgende: Die Mönche
haben im Vergleich zu den weltlichen Menschen die Aufgabe, die christlichen
Pflichten mit größerer Strenge und größerem Nachdruck zu erfüllen. Deshalb
legen sie ein besonderes Gelübde ab, das zu den „hagiasmata“ (Weihen) zählt und
gewissermaßen eine „neue Taufe“ darstellt, deren Symbol die Einkleidung ist.
Charakteristisch für die Mönche ist jedoch im Vergleich zu den weltlichen
Menschen die Verpflichtung zu Armut, Keuschheit und Gehorsam. Wenn Theodoros
sich an die Mönche wendet, spricht er auf konkrete, manchmal malerische Weise
über die Armut, doch in der Nachfolge Christi ist sie von Anfang an ein
wesentliches Element des Mönchtums und sie weist auch uns einen Weg. Der
Verzicht auf Privateigentum, diese Freiheit von materiellen Dingen, sowie auch
die Schlichtheit und Einfachheit, gelten in radikaler Weise nur für die Mönche,
doch der Geist dieses Verzichts gilt für alle gleichermaßen. So dürfen wir
nicht von materiellem Besitz abhängig werden, sondern wir müssen vielmehr das
Verzichten lernen, die Schlichtheit, die Einschränkung und die Einfachheit. Nur
so kann eine solidarische Gesellschaft entstehen und das große Problem der
Armut auf dieser Welt überwunden werden. In diesem Sinne zeigt also das
radikale Zeichen der armen Mönche im wesentlichen auch einen Weg für uns alle
auf. Wenn Theodoros dann über die Versuchungen gegen die Keuschheit spricht,
verbirgt er nicht seine eigenen Erfahrungen und zeigt den Weg des inneren
Kampfes auf, um Selbstbeherrschung und Achtung vor dem eigenen Leib sowie dem
der anderen als Tempel Gottes zu finden.
Doch der Hauptverzicht stellt für ihn die Forderung nach Gehorsam
dar, da jeder der Mönche seine eigene Lebensweise hat und die Einfügung in die
große Gemeinschaft von dreihundert Mönchen wirklich eine neue Lebensform
bedeutet, die er als das „Martyrium der Unterordnung“ bezeichnet. Auch hier
sind die Mönche nur ein Beispiel dafür, was für uns selbst notwendig wäre, denn
nach der Erbsünde neigt der Mensch dazu, dem eigenen Willen zu folgen – das
erste Prinzip ist das Dasein der Welt, alles andere wird dem eigenen Willen
unterstellt. Doch auf diese Weise, wenn jeder nur sich selbst folgt, kann das
soziale Gefüge nicht funktionieren. Nur wenn man lernt, sich in die gemeinsame
Freiheit einzufügen, sie zu teilen und sich ihr zu unterwerfen, die
Gesetzlichkeit zu lernen, das heißt die Unterordnung und den Gehorsam gegenüber
den Regeln des Allgemeinwohls und des gemeinsamen Lebens, kann man eine
Gesellschaft sowie auch das eigene „Ich“ von dem Hochmut heilen, im Mittelpunkt
der Welt zu stehen. So hilft der heilige Theodoros mit feiner Introspektion
seinen Mönchen und schließlich auch uns, das wahre Leben zu verstehen, der
Versuchung zu widerstehen, den eigenen Willen als oberste Lebensregel anzusehen
und die wahre persönliche Identität – die immer eine Identität gemeinsam mit
den anderen ist – sowie den Frieden des Herzens zu bewahren.
Für Theodoros Studites ist die „philergia“, also die Liebe zur
Arbeit – in der er ein Kriterium sieht, um die Qualität der persönlichen
Frömmigkeit zu prüfen – eine wichtige Tugend, die dem Gehorsam und der Demut
gleichgestellt ist: Derjenige, der seinen materiellen Aufgaben eifrig nachkommt
und fleißig arbeitet, so argumentiert er, kommt auch seinen geistlichen
Aufgaben eifrig nach. Er lässt also nicht zu, dass sich der Mönch unter dem
Vorwand des Gebets und der Betrachtung von der Arbeit – auch von der manuellen
– freimacht, die nach seiner und nach der Meinung der gesamten monastischen
Tradition in Wirklichkeit ein Mittel ist, um Gott zu finden. Theodoros fürchtet
sich nicht, von der Arbeit als „Opfer des Mönchs“ zu sprechen, als seiner
„Liturgie“, ja sogar als einer Art Messe, durch die das Mönchsleben ein
engelhaftes Leben wird. Und gerade so wird die Welt der Arbeit vermenschlicht
und der Mensch wird durch die Arbeit mehr er selbst, kommt näher zu Gott. Eine
Folge dieser besonderen Sichtweise verdient es, in Erinnerung gerufen zu
werden: Gerade weil der Reichtum die Frucht einer Art von „Liturgie“ ist, darf
er, der aus der gemeinsamen Arbeit gewonnen wird, nicht der Bequemlichkeit der
Mönche dienen, sondern ist zur Unterstützung der Armen bestimmt. Hier können
wir alle die Notwendigkeit erfassen, dass die Frucht der Arbeit ein Gut für
alle sein muss. Natürlich haben die „Studiten“ nicht nur manuell gearbeitet: Sie
waren als Kalligraphen, Maler, Dichter, Erzieher der Jugendlichen, Schullehrer
und Bibliothekare von großer Bedeutung für die religiöse und kulturelle
Entwicklung der byzantinischen Kultur.
Obwohl Theodoros sich umfangreichen äußeren Aktivitäten widmete,
ließ er sich nicht von dem ablenken, was er als eng mit seinen Aufgaben als
Oberer verbunden betrachtete: geistlicher Vater seiner Mönche zu sein. Er
wusste, welchen entscheidenden Einfluss sowohl seine gute Mutter als auch sein
heiliger Onkel Platon – der von ihm mit dem bezeichnenden Titel „Vater“
charakterisiert wird – in seinem Leben gehabt hatten. Gegenüber den Mönchen
übte er also die geistliche Führung aus. Jeden Tag, so berichtet sein Biograph,
stellte er sich nach dem Abendgebet vor die Ikonostase, um sich die
vertraulichen Mitteilungen aller Mönche anzuhören. Auch vielen Menschen
außerhalb des Klosters gab er geistlichen Rat. Das „Geistliche Testament“ und
die „Briefe“ weisen auf seinen offenen und liebenswürdigen Charakter hin und
zeigen, wie aus seiner Vaterschaft, sowohl im Bereich des Klosters als auch
außerhalb, wirkliche geistliche Freundschaften entstanden sind.
Die Regel, die unter dem Namen „Hypotyposis“ bekannt ist und kurz
nach Theodoros Tod aufgestellt wurde, wurde mit einigen Änderungen auf dem Berg
Athos angenommen, als der heilige Athanasios Athonites dort im Jahr 962 das
„Megisti Lavra“, das „Große Kloster“ gründete, sowie in der Kiewer Rus, als der
heilige Theodosius sie zu Beginn des zweiten Jahrtausends im „Höhlenkloster“
einführte. In ihrer ursprünglichen Bedeutung verstanden, erweist sich die
„Regel“ als ausgesprochen aktuell. Es gibt heute zahlreiche Strömungen, welche
die Einheit des gemeinsamen Glaubens gefährden und zu einer Art gefährlichem
geistlichen Individualismus und Hochmut anstiften. Es ist notwendig, sich dafür
einzusetzen, die vollkommene Einheit des Leibes Christi zu verteidigen und
wachsen zu lassen, in der sich der Frieden der Ordnung und die aufrichtigen
persönlichen Beziehungen im Geiste harmonisch zusammenfügen können.
Es ist vielleicht notwendig, am Ende nochmals einige der
Hauptelemente der geistlichen Lehre Theodoros zusammenzufassen. Liebe zum
fleischgewordenen Herrn und zu seiner Sichtbarkeit in der Liturgie und in den
Ikonen. Treue zur Taufe und das Bemühen, in der Gemeinschaft des Leibes Christi
zu leben, die auch als Gemeinschaft der Christen untereinander verstanden wird.
Der Geist der Armut, der Einfachheit, des Verzichts: Keuschheit,
Selbstbeherrschung, Demut und Gehorsam gegen den Primat des eigenen Willens,
der das soziale Gefüge und den Seelenfrieden zerstört. Liebe zur materiellen
und zur geistigen Arbeit. Geistliche Freundschaft, die aus der Läuterung des
eigenen Gewissens, der eigenen Seele, des eigenen Lebens entsteht. Versuchen
wir, diese Lehren zu befolgen, die uns wirklich den Weg des wahren Lebens
zeigen.